17|02|12: Wissenschaft als Lebensmaxime

Bildschirmfoto 2017-02-03 um 00.05.58Editorial des Magazins zum 3. Wiener Ball der Wissenschaften, erschienen am 28. Jänner 2017. Hier entlang zur pdf-Version.

Zum Abschluss seiner üblich launigen Rede anlässlich der Weihnachtsfeier des Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg im Dezember 2016 wurde dessen Präsident Thomas Henzinger noch einmal ernst. Sinngemäß sagt er vor dem übervollen Auditorium: „Auch wenn ihr den Eindruck habt, dass die Welt da draußen aus den Fugen gerät, sollt ihr wissen, dass dies hier ein sicherer Ort ist, der auf zwei Säulen ruht: Offenheit und wissenschaftlicher Wahrheit.“ Das Publikum hatte den ersten Teil der Rede mit Lachen und Applaus quittiert. Jetzt war es ganz leise. Und Henzinger erinnerte an den Verhaltenskodex des Instituts. Dies sei ein Ort, „an dem jeder Mensch gleich und respektvoll behandelt wird, unabhängig von seinem Alter, Geschlecht, Abstammung, Religion, sexueller Orientierung und körperlichen Fähigkeiten“. Ein sehr langer Applaus löste die Spannung des Publikums.

Rein opportunistisch betrachtet sind die von Henzinger erwähnten Qualitäten einfach Voraussetzungen für gute Wissenschaft. Ohne diese Offenheit im Sinne von Aufgeschlossenheit und wissenschaftliche Wahrheit gibt es keine sinnvolle Erkenntnis. Wissenschaft birgt immer das Risiko vermeintlich sichere Prinzipien in Frage zu stellen und vorurteilsfrei neue Antworten zu erarbeiten, die hergebrachten Gewohnheiten widersprechen. Die Entdeckungen von Galileo, Darwin, Lovelace, Freud, Curie, Wegener oder Meitner beruhen zum einen auf Erkenntnissen von früheren Generationen von WissenschaftlerInnen – und zum anderen eben darauf, diese Erkenntnisse radikal neu zu denken und in bislang unbekannte Regionen voranzutreiben. „To boldly go where no man has gone before”, um es mit dem großen Gene Roddenberry zu sagen.

Aber – und das ist entscheidend an Henzingers Rede – Wissenschaft generiert nicht nur Erkenntnis, sondern bietet darüber hinaus idealerweise auch Orientierung und Haltung im alltäglichen Umgang zwischen Menschen, zwischen Gesellschaften, zwischen Nationen. Der Film „Hidden Figures“ ist ein Beispiel dafür. Die wahre, aber bislang kaum bekannte Geschichte des Films erzählt von drei afro-amerikanischen Mathematikerinnen, die mit ihren Berechnungen entscheidend zum Erfolg des frühen US-amerikanischen Weltraumprogramms der 1960er Jahre beitrugen. Herkunft und Hautfarbe waren egal, als es darum ging, die Flugbahnen der ersten Astronauten zu berechnen und sie wieder heil auf die Erde zu bringen. Ausschlaggebend waren ihre mathematischen Fähigkeiten. Ein über das Feld der Forschung weit hinausgehendes Resultat ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist der auf Deutsch so unvollständig beschriebene Prozess der „Ermächtigung“, der auf Englisch sehr viel prägnanter als „empowerment“ bezeichnet wird, den die drei Mathematikerinnen annehmen und bewältigen.

Ähnlich wie „Hidden Figures“ oder Henzinger beabsichtigen wir auch beim nun 3. Wiener Ball der Wissenschaften, nicht einfach den Erkenntnisgewinn zu zelebrieren, sondern die oben angeführten Werte in den Mittelpunkt zu stellen. Das Organisationskomitee kann dafür nur die Bühne bieten, die tatsächliche Praxis muss dem Publikum – egal ob aus der Wissenschaft stammend oder jedem anderen gesellschaftlichen Umfeld – ein Anliegen sein, wie schon die ersten beiden Bälle so wunderbar unter Beweis gestellt haben.

Anlässlich des viel zu frühen Todes unseres Freundes und Unterstützers Helmut Veith im März 2016 versuchte ich in einem Nachruf zu beschreiben, worum es sinnvoller Wissenschaftskommunikation gehen muss, nämlich unter anderem darum „die Öffentlichkeit zu motivieren an einer Sphäre der Aufklärung mitzuwirken, in der Visionen willkommen sind, Probleme behandelt werden, einander widersprechende Meinungen in einer Synthese münden und Ideen ohne Angst gedacht werden können.“ Ich will hoffen, dass der 3. Wiener Ball der Wissenschaften das seinige dazu beiträgt.

Science as a code of conduct

Openness and scientific truth – those are two prerequisites for good science: Without them, no useful insight is possible. Science always carries the risk of putting apparently secure principles into question and seeks to find new answers, without prejudice. Darwin, Freud, Meitner – they all based their work in part on the insights of generations before them, but also extended their thinking radically. The Vienna Ball of Sciences puts these qualities centre stage. (Translation: Sophie Fessl, PhD)