Archiv für den Monat: September 2011

11|09|08: Eierlikör in Alpbach

Universum Magazin, September 2011

Eierlikör in Alpbach

Die Technologiegespräche präsentieren sich einmal mehr als unsortiertes Themenbüschel – mit bemerkenswerten Knospen und Blüten.

Alpbacher Arbeitsplatz

Das Jahresmotto des Europäischen Forums Alpbach ist üblicherweise von stuppender Schlichtheit, intellektuell irgendwo zwischen Schulaufsatz und Regierungserklärung angesiedelt. Der diesjährige Titel („Gerechtigkeit – Verantwortung für die Zukunft“) bildete da keine Ausnahme. Das ist zum einen der an sich nicht zu bewältigenden Aufgabe geschuldet, ein Themenbüschel subsummieren zu müssen, das den chinesischen Städtebau genau so umfasst wie die österreichische Vorsorgemedizin und die innenpolitischen Umwälzungen in Liechtenstein. Der zweite Grund für die holzschnittartige Kargheit des Mottos, die den Figuren in den Weihnachtskrippen der Tiroler Stuben gut ansteht, ist seine Irrelevanz: Jeder Vortrag, jeder Arbeitskreis der zwischen Mitte August und Anfang September abgehaltenen insgesamt 15 Blöcke dient vor allen anderen Dingen im günstigsten Fall der Unterhaltung, im seltenen Fall sogar der Aufklärung des jeweiligen Zielpublikums, und nicht der Herstellung eines überspannenden Themengeflechts. Mehr als drei Tage in Folge ist praktisch kein Gast anwesend, das veranstaltende Personal und einige außerordentlich hartgesottene JournalistInnen ausgenommen.

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11|09|07: Selbst ist der Mensch

Kein Organ ist in den letzten 50 Jahren so intensiv erforscht worden wie das Gehirn. Das hängt grob gesagt mit zwei auf den ersten Blick widersprüchlichen Motiven zusammen: Neurologen und PsychiaterInnen können dank der ständig weiter entwickelten Diagnose- und Visualisierungsmethoden immer exaktere Einblicke in das agierende Gehirn nehmen. Aber letztlich dienen all diese extrem aufwendigen  Methoden der Beantwortung der einen, uralten Frage: Was ist der Geist, der den Menschen von der – zum Beispiel – Meeresschnecke unterscheidet, anhand der Eric Kandel den Lernprozess zum ersten Mal sichtbar gemacht hat? Antonio Damasio gelingt es in seinem neuen famosen Buch, diese beiden Motive zu vereinen, und zwar weil er einer der bedeutendsten Neurowissenschaftler der Gegenwart ist und gleichzeitig nachvollziehbar über sein Forschungsfeld schreiben kann. In seinem aktuellen Werk widmet er sich der zentralen Frage: Wie entsteht Bewusstsein? Mit seiner Antwort erklärt Damasio, wie der Mensch zum selbstbewussten Wesen wurde und dabei Fähigkeiten wie Sprache, Kreativität und Moral entwickelte.

„Selbst ist der Mensch“ von Antonio Damasio, Siedler Verlag, 368 Seiten, Euro 25,70

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11|09|01: Bissiger Hundebesitzer

Am Donnerstag, den 1. September fahre ich um 18.30 mit meinem Fahrrad auf dem (neu ausgewiesenen) Radweg entlang des Rings von der Operngasse Richtung Babenbergerstraße. Auf der Höhe des Hotel Le Meridien kommt mir ein Mann entgegen: Mitte 50, 175-180 cm, blauer Leinenanzug, helles Hemd, graues Haar, kleine Brillenfassung in Schwarz, eine Leine aus Leder und Kettengliedern über die Schulter gelegt. Neben ihm ein grauer Jagdhund – ein Weimaraner – von rund 80 cm Höhe, dementsprechend ohne Leine.  Der Mann schreit mich an: „Das ist kein Radweg, das ist ein Fußweg.“ Ich rufe ihm zu: „Sie irren sich.“ Der Mann holt mit seiner Leine aus und schlägt nach mir. Er verfehlt mich zwar, trifft aber das Rücklicht, das dadurch aus der Halterung gerissen wird. Ich bleibe stehen, um das Rücklicht aufzuheben, und lehne das Rad an einen Verteilerkasten. Der Mann kommt auf mich zu, hebt die rechte Hand und versucht wieder mit der Leine auf mich einzuschlagen: „Was willst Du? Schau, dass Du wegkommst.“ Ich hebe meine Arme und meinen linken Fuß, um seine Schläge abzuwehren; der Hund beißt mich währenddessen in den rechten Oberschenkel. Ich rufe: „Aus, er soll mich loslassen“. Der Mann brüllt weiter: „Du wirst mich kennenlernen.“ Der Hund lässt von mir ab und der Mann geht in jene Richtung, aus der er gekommen ist, also zurück Richtung Babenbergerstraße.

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