19|02|02: Dancing Stars dank Weltraumtechnik

Das Editorial des Ballmagazins 2019

Was hier wie ein Gruppenbild von ein paar Außerirdischen anmutet, entstand im Nordvestibül der Volkshalle im Erdgeschoß des Wiener Rathauses. Das Rätsel, wer tatsächlich auf dem Bild zu sehen ist, wird weiter unten gelöst. An dieser Stelle erfahren Sie mehr über die Hintergründe des Bildes. Angefertigt wurde es am 21. Dezember 2018 von Franz Kerschbaum mit einer Wärmebildkamera: Je röter desto wärmer sind die Körperpartien, je blauer desto kühler.

Der Professor für Astronomie an der Universität Wien nutzt diese Kamera, um seinen Studierenden zu erläutern, wie mit Hilfe der als Wärme abgebildeten Strahlung Informationen über Sterne – vor allem in deren Spätstadien als Rote Riesen und Weiße Zwerge – gewonnen werden können, die Lichtjahre entfernt sind. Die Kamera und ihre Bilder dienen dabei als irdische Anschauungsobjekte.

Wenn Kerschbaum nicht gerade ferne Galaxien abbildet, fokussiert der äußerst begabte Naturfotograf seine reguläre Kamera auf Bienenfresser und Libellen in der Lobau oder spielt den Astronomen William Herschel auf der Bühne. Kerschbaum ist damit ein Prototyp des zeitgenössischen Wissenschaftsvermittlers:  Inhaltlich fundiert, aber ohne Scheu vor populären Formaten leistet Kerschbaum einen unverzichtbaren Beitrag zur Aufklärung im Alltag, in dem auch unter Politikern die Vernebelung der Vernunft um sich greift.  

Beim Ball installiert Kerschbaum die Wärmebildkamera in der Discotheque, die erstmals in der Volkshalle residiert: Auf 400 Quadratmetern Tanzfläche sollte vor dem 30 Meter langen Fluoreszenz-Gemälde von Studierenden der Akademie der bildenden Künste erstmals genug Platz für raumgreifende Kreisbahnen vorhanden sein. Und die Frage, wer wohl der heißeste Tänzer und wer die coolste Tänzerin am Wissenschaftsball ist, wer also die wahren Dancing Stars sind, wird dank Weltraumtechnik und Live-Übertragung endlich auf wissenschaftlich fundierte Weise entschieden werden.

Ähnlich populär angelegt ist ein weiteres Projekt des Organisationsteams. In Kooperation mit der Wiener Bezirkszeitung hat Katharina Kropshofer, Chefredakteurin dieses Magazins, einen Sonderteil produziert, in dem „Wiens Wissenschaft in Wiens Bezirken“ vorgestellt wird. Der Hintergedanke: Auch wenn Wien inzwischen die größte Universitätsstadt im deutschsprachigen Raum (noch vor Berlin, München und Zürich!) ist, und auch wenn mit 220.000 Menschen mehr ForscherInnen, Studierende und Administrationskräfte in Wiens Universitäten und Laboren tätig sind, als zum Beispiel Linz EinwohnerInnen hat, wird die Wissenschaft oft nur mit den Großgebäuden wie der TU oder dem AKH verbunden. Tatsächlich ist aber die Wissenschaft in ganz Wien präsent, wie der Sonderteil mit 23 Porträts aus 23 Bezirken eindrucksvoll beweist. Der spezielle Clou: Die Sonderausgabe der Bezirkszeitung geht an alle 540.000 Wiener Haushalte. Der Wissenschaftsball sorgt damit für die bislang größte Imagekampagne für Wissenschaft und Forschung in der Geschichte der Stadt – und wohl auch weltweit.

Kehren wir zum Schluss zurück in die Volkshalle: In diesem Jahr wird die Volkshalle noch in derselben Nacht in einen Ausstellungsraum verwandelt. Anna Wexberg-Kubesch stellt jene 15.000 Karten aus, die repräsentativ für 15.000 ermordete jüdische Kinder im KZ Theresienstadt sind. Vor drei Jahren hat Wexberg dieses Maßstäbe-setzende Projekt der Erinnerungskultur initiiert, das mit der Ausstellung in der Volkshalle von 27. bis 30. Jänner einen würdigen Abschluss findet und für das sie völlig zu Recht 2018 mit dem Europäischen BürgerInnenpreis ausgezeichnet wurde. “NE­VER / FORGET / WHY?” (mehr dazu ab Seite 28) ist auch ein Projekt der Aufklärung, zwar mit anderen Mitteln als die Wärmebildkamera am Abend zuvor, aber mit einer vergleichbaren Absicht: Klüger werden, und zwar jeden Tag. 

Und hier die Auflösung:

Bürgermeister Michael Ludwig, Wissenschaftsstadträtin Veronika Kaup-Hasler und das Tanzpaar Denise und Kaspar von der Tanzschule Kraml / Foto: S.Hauswirth