12|12|27: Jüdisches Wien

Joachim Riedl hat in den letzten Jahrzehnten ebenso kontinuierlich wie kenntnisreich über das jüdische Wien an der Wende zum 20. Jahrhundert publiziert. Die Etablierung der jüdischen Gemeinde in der Gründerzeit trug enorm dazu bei, Wien binnen weniger Jahrzehnte in den Mittelpunkt des europäischen Geistesgeschehens zu rücken. Besonderes Augenmerk legt Riedl in seinem reich und ganz famos bebilderten Essay auf folgenden vermeintlichen Widerspruch: Die Wiener entwickelten den erst 1867 von Gesetzes wegen gleichgestellten Juden gegenüber jene Art von Antisemitismus, die in ihrer Mischung aus religiöser Hetze und pseudowissenschaftlicher Renommiersucht Adolf Hitler die Grundlage für sein Vernichtungswerk liefern sollte. Den Juden blieb auf Grund dieser Ablehnung in der Gegenwart nichts anderes übrig, als sich der Zukunft zuzuwenden und jene Visionen in Kunst, Kultur, Politik und Wissenschaft zu entwerfen, von denen Wien bis heute zehrt.

„Jüdisches Wien“ von Joachim Riedl, CBV, 160 Seiten, € 35,-

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